In grauer Vorzeit haben die Senner sich im Fichtelgebirge mit ihnen verständigt. Heute erleben die Fichtenhörner in Speichersdorf eine Renaissance als Musikinstrumente, deren weicher Klang die Menschen bewegt. Ihre Herstellung ist aufwendig – und teilweise ein gut gehütetes Geheimnis.
Foto: Riegg & Partner, Neudrossenfeld
Sicher, mit Alphörnern haben sie einiges gemeinsa m,gesteht Heinz Schmidt, musikalischer Leiter der Speichersdorfer Fichtenhornbläser. Aber während jene meist industriell hergestellt werden, sei bei den Fichtenhörnern jedes Instrument ein Unikat. Der erste Blick bestätigt das: Jedes ist so krumm und gewunden, wie die Fichte halt gewachsen war, naturbelassen und maßgefertigt. Auch dadurch sind Fichtenhörner schwierig zu spielen – schwieriger als Alphörner. Verschiedene Tonhöhen werden allein durch gekonnte Lippenbewegung erzeugt. Das sauber hinzukriegen erfordert lange Übung – das Musizieren auf einem Fichtenhorn ist wahre Kunst. Jedes klinge anders, habe seine Macken und Vorzüge, erklärt Schmidt. Und Fichtenhörner, die gebe es nun mal nur rund um Speichersdorf.
Begonnen hat alles vor über 30 Jahren. Damals baute der Speichersdorfer Sepp Reichl in 60-stündiger Handarbeit ein funktionstüchtiges „Fichtenrufhorn“ nach, wie er es in einem Museum gesehen hatte. Es war das erste von etwa 25, die in der Werkstatt des pensionierten Eisenbahners nach und nach entstanden. Das Material holte er sich aus dem Fichtelgebirge und dem Steinwald: Fichtenholz – ein hervorragendes Klangholz, von dem es in der Region reichlich gab. Sepp Reichl und Posaunist Gerhard Kreutzer, der noch heute aktiv dabei ist, bildeten bald das erste Fichtenhorn-Duo der Welt. Mit den über vier Meter langen Hörnern auf dem Autodach sollen die beiden bis zum Regensburger Christkindlmarkt gefahren sein, um ihren Instrumenten Gehör zu verschaffen. Viele Jahre später, bei ihrer letzten Begegnung, hat Heinz Schmidt dem 86-jährigen Gründervater versprochen, dessen Lebenswerk fortzusetzen.
Foto: Riegg & Partner, Neudrossenfeld
Und das tat er. Heute besteht das Ensemble, das inzwischen in einem Verein organisiert ist, aus sieben Bläsern, die seit 2012 zusammen spie-len. Auf Adventsmärkten, beim Almabtrieb, auf Festen aller Art. Auch bei der Landesgartenschau in Bayreuth und als „Vorgruppe“ von Kabarettist Gerhard Polt hatten sie schon große Auftritte. „Erfahrungen mit einem Blechblasinstrument sollte man schon haben, wenn man Fichtenhorn lernen will“, meint Hotelfachfrau Eva-Kristin Schlosser, die vor ihrer Hornkarriere schon neun Jahre Trompete gespielt hatte. Das Rekrutieren von Nachwuchs ist denn auch eins der Anliegen des Fichtenhornbläser Speichersdorf e. V.
Ähnlich komplex wie das Spiel ist auch die Herstellung eines Fichtenhorns. Das beginnt mit der Suche nach einer geeigneten Fichte. Ausgesprochen krumm muss der Stamm sein – was er meist dann ist, wenn der Baum an einem Steilhang oder in einer alten Gasse wächst, erklärt Schmidt. Ist der Baum gefunden, schlägt die Stunde hoher Handwerkskunst. Das ist inzwischen der Part von Florian Sehnke, in dem die Fichtenhornbläser nach Reichls Tod einen begabten handwerklichen Nachfolger fanden.
Die häufigste Frage des Publikums ist: Wie kommt die Röhre in den Baumstamm?
Foto: Riegg & Partner, Neudrossenfeld
Der Schreiner ist für die Instandhaltung und auch für den Bau neuer Fichtenhörner zuständig. Die drängende Frage, die immer wieder gestellt wird: Wie kommt die Röhre in den Stamm? „Erstmal schneide ich den Fichtenstamm mit der Bandsäge vorsichtig der Länge nach mittig durch“, erklärt Sehnke. „Danach höhle ich beide Hälften aus und leime sie wieder zusammen.“ Das klingt nach viel Feinarbeit, aber irgendwie auch ein bisschen zu einfach. Etwas mehr Kunst und Magie muss doch wohl dabei sein. Sehnke schmunzelt. „Auf jeden Fall braucht es viele Stunden und handwerkliches Geschick, bis das Horn funktioniert.“ Mehr ist aus Sehnke nicht herauszubekommen. Und das ist vielleicht gut so. Ein bisschen Geheimnis muss sein.