Franco Furlanetto: 700 Jahre Handwerkskunst der Remeri in kleiner Werkstatt

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Die meisten Passanten hasten auf dem schnellsten Weg zum Markusplatz einfach an der Hausnummer 2768/B vorbei. Zu unscheinbar ist das, was es im kleinen Schaufenster zu sehen gibt: den typischen Bugbeschlag der venezianischen Gondeln als Lesezeichen. Franco Furlanetto schaut nur selten hinter seinem Strohvorhang heraus. Meist nur, wenn seine Werkstatthündin Biba ihren Lieblingsplatz verlässt und bellt.

Der Mann mit den grauen, wuscheligen Haaren ist einer der vier letzten Remeri, jener Zunft, die in Venedig seit 1307 die Fórcole und die Remi – Ruderdollen und Riemen – für Gondeln und Ruderboote her-stellt. Franco Furlanetto hat viel zu tun. Die Riemen im Regal sind eng aufgereiht. Auf Holzböcken sind Tannen- und Buchenleisten fixiert, die zu einem neuen Riemen verleimt werden. Daneben klemmt eine Fórcola im Schraubstock, an der Wand hängen Schablonen.

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Der 55-Jährige nimmt eine Ferro da Carador, eine Eisenklinge, und zieht die Morso (Ofen) nach. Die Kerbe unter der oberen Nase ist einer von acht Anlenkpunkten, an denen der Riemen auf der Fórcola beim Rudern aufgelegt wird. Damit ist es möglich, trotz des seitlichen Ruders geradeaus zu fahren, langsamen oder schnellen Schub auf das Riemenblatt zu geben, abzubremsen oder auch rückwärts zu rudern.

Bootstyp, Körperbau des Gondoliere, Ruderstil: Keine Fórcola gleicht der anderen. Franco braucht handwerkliches Geschick, räumliches Vorstellungsvermögen, aber auch Wissen um den Bewegungsablauf beim Rudern, wenn er die Remieri herstellt. Die drei Meter langen Riemen sind aus bis zu fünf verleimten Buchenleisten gefertigt, um die Biege- und Torsionskräfte aufnehmen zu können. Das Riemenblatt dagegen besteht meist aus leichter Tanne, um es einfacher aus dem Wasser zu heben. Nur der Hobel ist mittlerweile elektrisch betrieben, um das Riemenblatt grob in Form zu bringen. Danach ist beim Schleifen mit verschiedenen Körnungen Handarbeit angesagt. Franco lässt die Riemen mit Strohöl ein und versiegelt das Holz in drei Schichten mit transparentem Lack. Zeit zum Trocknen.

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Die meiste Zeit braucht der Venezianer, um das geeignete Holz für die Fórcole zu finden. Häufig werden Stämme von Kirsch- und Birnenbäumen verwendet. Der 55-Jährige hat seinen eigenen Kopf, verarbeitet nur Walnussbäume. Das Holz sei besonders fest, hart und witterungsbeständig. Die Stämme sucht er aus und sägt sie im Sägewerk selbst zurecht, die Stammviertel lässt er vier Jahre lang auf Land trocknen, erst dann lässt er diese in seine kleine Werkstatt bringen. Mit einer Schablone der Bandsäge wird der Rohling gesägt. Dann arbeitet Franco bei Neonlicht nur noch mit Stecheisen, Ziehklingen und Glaspapier. Intention
und Erfahrung führen seine Hand.

„Die meiste Zeit beansprucht die Suche nach dem geeigneten Holz.“

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