Für ein Haus in Hanglage realisierte Matthias Willmann nahezu den kompletten Innenausbau in Altholz.

Foto: David Franck Photographie

Es ist kurz vor Weihnachten. Fünf Leute hocken in der Schreinerwerkstatt und stoßen mit frisch gezapftem Bier auf das ausklingende Jahr an. Nur dass die Schreinerwerkstatt eigentlich das Büro des Bauherrn ist, in dessen neuem Domizil das spontane Treffen stattfindet: der letzte Raum in dem sehr speziellen Haus, der mit voller Absicht noch eine Baustelle ist. Das Zimmer, das für das Schreiner-Team dieses Jahr eine Art zweites Zuhause war.

Das Bauherren-Paar und die drei Schreiner lassen die letzten zwölf Monate Revue passieren. Seit Anfang Januar haben Matthias Willmann, allen voran aber Meister Max und Meisterschüler Lukas hier rund 2.500 Quadratmeter Altholz aus dem Alpenraum montiert. Sämtliche Wände und Decken haben sie mit Brettern verkleidet, die vorher oft 300 Jahre lang in anderen Häusern Dienst getan hatten. Schränke und anderes kamen noch hinzu. Auch außen ist das neue Haus – im Kern ein Betonbau – vollständig mit Altholz verschalt. So, wie es sich für die Region gehört.

Historische Leistung: Schreinermeister Matthias Willmann verkleidete Decken und Wände mit rund 2.500 Quadratmetern Altholz aus der Region. Das Material war vorher bis zu 300 Jahre lang in traditionellen Häusern verbaut.

Foto: David Franck Photographie

„Wir bauen das Holz ‚waldrecht’ ein“ Matthias, den wir heute mit Max und Lukas in seiner Werkstatt treffen, hat eine Menge Erfahrung damit. „Früher mussten wir uns das Material selbst organisieren, sauber machen und zuschneiden. Das war richtig viel Arbeit. Aber weil es im Alpenraum inzwischen sehr beliebt ist, kann man es heute fertig kaufen“, erzählt er. Was er aber nicht braucht, sind die vorgefertigten Dreischichtplatten mit ihrer schnurgeraden Optik und gleichmäßigen Breite, die aussehen „wie eine Tapete“. Matthias baut das Material lieber „waldrecht“ ein: Die drei Zentimeter starken Bretter bleiben so konisch, wie sie gewachsen sind, und werden bei der Montage einfach nach Bedarf gedreht. Auch etwas Baumkante bleibt dran: „Wenn man ein Stück der Rundung vom Stamm sieht, bekommt die Verkleidung Tiefe“, erklärt Matthias.

2.500 Quadratmeter gutes Altholz zu bekommen, das sei gar nicht so leicht, erzählt der Schreinermeister. „Das Holz muss schädlingsfrei sein, es muss eine durchgängige Qualität haben und es darf nicht kontaminiert sein.“ Matthias hat es hingekriegt, diese Riesenmenge vom gleichen Händler zu bekommen – mit Zertifikat. Zwei bis drei Sattelschlepper seien da an der Baustelle vorgefahren. Die geschätzten 900 Quadratmeter, die ein Zimmermann in ähnlicher Optik an der Außenfassade angebracht hat, kommen noch obendrauf.

Foto: David Franck Photographie

Das Holz ist zu 90 Prozent Fichte Was für ein Holz da genau verbaut ist, wollen wir wissen. „Das fragen die Kunden auch immer“, schmunzelt der Schreiner, „aber das kann man nie so genau sagen. Wenn das 300 Jahre irgendwo verbaut war, dann ist das alles grau und sieht zumindest für den Laien gleich aus.“ Es seien aber fast immer Nadelhölzer aus der Region, zu 90 Prozent Fichte, auch mal Tanne und manchmal Lärche oder Kiefer.

Auch wenn das Material Altholz prinzipiell immer das gleiche ist, steht doch bei jedem Kundenprojekt am Ende ein Einzelstück, erzählt Matthias, als wir später das fertig ausgebaute Haus des Bauherrn betreten. Darum legt er auch wenig Wert auf Referenzen, die er anderen Kunden zeigen kann. Und obwohl er seine Auftraggeber auf Wunsch auch innenarchitektonisch berät, ist er dabei aus Überzeugung zurückhaltend: „Wir helfen dem Kunden, sein Haus zu bauen und nicht unseres.“

Das erkennt man auch an den vielen, oft versteckten Details des Ausbaus. Kaum ein Schrank ist als solcher zu erkennen, weil fast alle optisch in der Wandverkleidung aufgehen. Dezente Griffe gibt es nur, wo es unbedingt nötig ist. An Außenecken sind die Schranktüren auf Gehrung gesägt und schließen mit dem Türfutter ab. Wobei es auch Letzteres gar nicht gibt, denn die Türen haben keinen Stock, keinen Türrahmen. Ihre Schließstücke sind in die Schrankwände eingelassen, an die sie direkt anschließen.

Foto: David Franck Photographie

„Die ‚Beziehungen‘ mussten perfekt passen“ Wo bei anderen Türen der Falz ist, ragen die Schlafzimmerschränke auf jeder Seite ein wenig über die Quasi-Türleibung hinaus. „Die ‚Beziehungen‘ zwischen Schränken und Türen mussten perfekt passen, das war mit dem alten Material eine echte Challenge“, erinnert sich Matthias. Auch die Verbindungstüren zwischen den Schlafzimmern sind fast unsichtbar integriert, die Furniere der Wände laufen auf der Tür weiter. Durch all das ergibt sich in weiten Teilen des Hauses eine durchgehende, optisch unterbrechungsfreie  Holzwandoptik, und der Stauraum ist scheinbar unendlich.

Die beiden Küchen einschließlich der traditionellen Tische und Bänke entstanden ebenfalls in Matthias Willmanns Werkstatt. Immer im Stil und in der Verarbeitungsweise der Region. Wo man sonst die Tische ölt, lackiert oder wachst, wurden sie hier geseift. Dazu zermahlte Matthias wie anno dazumal Kernseife, löste sie in Wasser auf und trug die Seifenschicht auf das Holz auf. „Der Tisch wird dann so speckig wie in alten Wirtshäusern. Das Verfahren kennt so gut wie kein Architekt. Wir haben das dem Bauherrn empfohlen, weil es einfach konsequent ist.“ Und der war sofort einverstanden. Denn eins ist sicher: Einen Hang zum Holz und zur Tradition kann man beiden nicht absprechen. Dem Bauherrn genauso wenig wie dem Schreiner.

Mehr Infos:
www.willmann-haben.de

Foto: David Franck Photographie