Für eine kleine Bäckerei in Fellbach verwirklichte Michael Kaufmann einen Ausbau in Form einer maßgeschreinerten „Holzbox“.

Foto: David Franck Photographie

Wer die Bäckerei Füeß in Fellbach betritt, taucht ein in eine überraschend kleine, feine Welt aus Holz und Gebackenem. Alles in dem 20-Quadratmeter-Raum erinnert an die warme, knusprige Oberfläche von frischem Brot. Das ist nur konsequent, denn in dem verwinkelten Eckhaus an der Weimerstraße wird schon gebacken und Brot verkauft, seit es 1743 erbaut wurde. Aber es ist noch etwas anderes, das den Raum besonders macht. Vielleicht das Gefühl, dass er aus einem einzigen Guss besteht. Falls dieses Bild für den Rohstoff Holz ausnahmsweise erlaubt ist. Nichts ist hier Zufall, alles hat Sinn und Bezug, alles fügt sich ineinander, alles ist feinstes Handwerk.

„Wenn man Holz liebt und dementsprechend verarbeitet, dann erobert man damit die Herzen.“ Michael Kaufmann

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Eine Theke aus Holz hatte das Geschäft an der Weimerstraße schon immer. Bis vor Kurzem stammte sie aber aus den frühen 1960er-Jahren und war ein wenig in die Jahre gekommen. Überhaupt wollte das Bäckerpaar Petra und Oliver Füeß den historischen Laden ein wenig auffrischen. Und wie es manchmal so geht: Über den Kindergarten kannte Petra Füeß die Architektin Sandra Löffelhardt, die wiederum kannte den Schreiner Michael Kaufmann aus Kempten im Allgäu, auf den sie große Stücke hielt. Alle setzten sich zusammen, Löffelhardt plante, Michaels erste Aufgabe war das holzgestalterische Konzept.

Weil der Laden stark emotional besetzt war – schon die Idee, die alte Theke zu ersetzen, löste kleine Dramen bei den Kunden aus –, wollten die Inhaber auf jeden Fall dessen vertrauten, urigen, fast kultigen Charakter bewahren. Deshalb war es allen wichtig, dass die neue Einrichtung an die alte erinnerte. Nur zwei Dinge wollten die beiden Planer grundlegend anders machen: Die neue Theke würde gegenüber der alten um 90 Grad gedreht stehen, um sie verbreitern zu können. Und, noch wichtiger: Der kleine Laden sollte eine komplette „Holzbox“ werden. „So wie die Stuben in Alpen-Bauernhöfen“, erläutert uns Michael, als er uns den fast fertigen Ausbau zeigt.

Sein Grundgedanke war, maximale Qualität in den Ausbau hineinzubrin-gen. Und das geht nur mit einem guten Material. Michael entschied sich deshalb für die Sibirische Lärche: „Die ist angenehm hell und bleibt es auch weitgehend. Und sie hat viele wunderbar warme Töne: Gelb, Rosa, Ocker, Rot …“ Wenn man sie verarbeitet, bleiben nur die harten Jahresringe an der Oberfläche. Das verleiht dem Holz eine extreme Widerstandsfähigkeit. Das „Finishing“ sollte ein sehr hochwertiges Öl bilden. „Natürlich altert das Holz, aber es wird sicher auch in 200 Jahren noch gut aussehen – eben wie in alten Bauernhäusern“, prognostiziert Michael.

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CAD immer, CNC nur selten Seit rund 20 Jahren zeichnet er alles mit CAD. „Das war ein Quantensprung und ist für mich heute unverzichtbar. Aber ich bewundere die Alten unendlich, die das alles ohne gemacht haben und dabei manchmal sogar schneller waren.“ Die CNC-Maschinen, die ihm zur Verfügung stehen, nutzt er dagegen selten: „Ich arbeite lieber entschleunigt und halte dafür die Wertigkeit hoch.“ Weil in Fellbach die alte Einrichtung an-fangs noch eingebaut war, hat Michael sich zwei volle Tage lang die groben Maße aus dem Laden geholt, die erste CAD-Werkzeichnung damit gemacht und Teile gebaut, die Anschlussteile aber länger gelassen. Als der Laden ent-kernt war, hat er die Maße korrigiert und einige Teile nachgearbeitet.

Bei der Ladentheke lag die Latte hoch, erzählt Michael uns: „Die alte Theke war richtig gut durchdacht und funktional den heute üblichen weit überlegen. Sie hatte zum Beispiel Auszugsplatten in der Kuchentheke; dadurch gab’s viel Fläche für Ware und man kam trotzdem an alles bequem dran. Mir war sofort klar, dass diese Einrichtung was Besonderes ist.“ Darum hat Michael das alles auch bei der neuen Theke aufgegriffen, nur mit modernen, leichtgängigen Auszugselementen, die die Bedienung noch einfacher als früher machen. Die Theke hat jetzt vier ausziehbare Etagen. Dadurch lässt sich in dem winzigen Laden auf kleinem Raum erstaunlich viel Ware unterbringen und präsentieren. Auch beim Brotregal hat Michael die guten Eigenschaften des Vorgängermodells aufgenommen. Darum hat auch das neue wieder eine Rahmenkonstruktion mit Stäben, durch die die Backwaren von allen Seiten Luft bekommen.

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„Das ist das pure Holz in seiner ganzen körperlichen Kraft.“ Irgendwann im August waren alle Teile bereit zum Einbau. Doch Montagen wie diese kann und will Michael nur mit jemandem machen, der richtig gut ist. Und das ist sein guter Freund und Kollege, der ebenfalls Michael heißt. „Im Grunde ar-beiten wir wie vor 200, 300 Jahren. Wir bauen maßgefertigte Teile vor Ort in die Räume hinein. Nur so konnten wir hier in der Bäckerei die hohe Qualität erreichen, die uns so wichtig war.“ Heute würden für die Montage oft Sicherheitspuffer eingerechnet und dann vor Ort die Lücken mit Passleisten oder Silikon gefüllt. Für Michael und Michael ist das nichts. Randanschlusselemente von Wandverkleidungen passen sie zum Beispiel erst vor Ort ein, nur ein feines Fugenspiel gönnen sie sich, alles soll ineinander übergehen. „Wir arbeiten wirklich von Null auf Null.“

So etwas richtig Komplettes und Ganzheitliches zu bauen, das ist für die beiden Michaels so etwas wie ein Heimspiel. Vor etwa 20 Jahren haben sie im Allgäu für einen Architekten eine Reihe sehr exponierter Häuser in Holz ausgebaut. Alles sehr hochwertig, in der Innenarchitektur teilweise mit Vorarlberger Einfluss. „Das machen und können inzwischen nur noch wenige“, weiß Michael, der über 40 Jahre Schreinererfahrung verfügt. Doch für ihn waren das damals wertvolle Erfahrungen, die ihm und seinen Kunden bis heute zugutekommen.

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Das Gespür dafür behalten, was jenseits des Digitalen möglich ist Klar, dass dieser Ansatz einen sehr viel höheren Anspruch an den Arbeitsablauf mit sich bringt. Michael und Michael müssen viel mehr vorausdenken, jeden Zusammenhang vorher erkennen: „Wenn du einen Denkfehler machst und an einer Ecke falsch anfängst, dann haut’s dich hinten komplett raus. Und wenn du dann anfängst, was anzustückeln, dann sieht‘s jeder.“ Na ja, fast jeder.

Michael geht es aber um mehr. Darum nämlich, das Bewusstsein für gutes Handwerk zu erhalten. Was sich ja im Schreinerberuf besonders gut darstellen lasse. „Gerade im digitalen Zeitalter sollten wir das Gespür behalten für das, was jenseits davon möglich ist. Man muss immer nach Wegen suchen, Dinge wie diese Bäckerei-Einrichtung so erstellen zu lassen, dass sie bezahlbar sind“, fordert Michael, der auch einen Abschluss in BWL hat. Langfristiges, nachhaltiges Denken und Handeln sei selten geworden, wenn es um Handwerkliches gehe. „Dabei sind gut gemachte Sachen nicht nur für eine Generation gemacht, sondern für mehrere – wenn sie in Gestaltung und Funktion passen.“ So wie in der Bäckerei Füeß.