Es ist kein Geheimnis, dass herkömmliche Stichsägen auf „Langstrecken“ niemals präzise schneiden. Die MAFELL Ingenieure fanden heraus, woran das liegt. Danach wussten sie, was sie zu tun hatten, um es besser zu machen. So entstand die P1 cc.

Fotos: Michael Haller, Hanse Knödler

Albert Kaufmann war gefesselt vom Anblick seiner Frau, wie sie an ihrer Nähmaschine saß, vor allem aber von der Maschine selbst und dem extrem schnellen Auf und Ab der Nadel. Vor seinem geistigen Auge sah der Schweizer, wie er mit einem in diese Maschine eingespannten Sägeblatt atemberaubende Kurvenschnitte in Holz ausführen könnte. Es war die Geburtsstunde eines völlig neuen Gerätes – das ein Jahr später als erste elektrische Handstichsäge der Welt auf den Markt kam.

1947 war das. Fast sieben Jahrzehnte später, als die Mafell Ingenieure sich an die Entwicklung eines neuen Modells dieser Gattung machten, hatte sich am Grundprinzip der Stichsäge nichts Wesentliches geändert. Ebenso wenig an einer konstruktionsbedingten Schwäche: Für lange, präzise, rechtwinkelige Schnitte war sie nicht geeignet. „Wir wussten, dass viele Holzhandwerker sich eine hochpräzise Stichsäge wünschten – eine, die bei der Genauigkeit an die einer Kreissäge herankam“, berichtet Hans Hermle, Entwickler bei Mafell. „Wir haben das als Herausforderung betrachtet.“ Und nicht ohne Stolz nimmt
er die Mafell P1 cc in die Hand.

Foto: Patrick Held

Präzise geht‘s nur mit starrer Grundplatte.

Der Weg war steinig – und begann mit Fragen. Zum Beispiel der Frage, was genau der herkömmlichen Stichsäge eigentlich Grenzen in Sachen Präzision setzte. Antwort: Es fängt mit dem meist hohen Schwerpunkt einer Stichsäge an, die eine exakte Führung schwierig macht, und der hohe Greifpunkt bedeutet ungünstige Kippmomente. Also verlagerten die Ingenieure den Greifpunkt nach unten. Weil die kleine Grundplatte die nötige Stabilität verhindert, dachte man zwei wechselbare Platten an, eine groß und starr für mehr Stabilität, die zweite schwenkbar. Bei der Sägeblattführung wirkt außerdem eine unkontrollierte Pendelbewegung. Darum entwickelte man eine Führung, die sich mit der Pendelbewegung bewegte – leider ohne dass die Schnitte präziser wurden, wie sich später herausstellte.

Von einem Durchbruch war das Team weit entfernt: „Auch wenn wir die Stichsäge auf eine Führungsschiene setzten, verliefen die Schnitte – besonders die längeren“, erzählt Hans Hermle. Dafür war bei kurzen Schnitten schon jetzt tatsächlich eine höhere Präzision zu erkennen. Als das Team der Sache auf den Grund ging, machte es eine erstaunliche Entdeckung: Bei langen Schnitten verformten sich die Sägeblätter. Je länger, desto stärker. Auch der Grund dafür war bald gefunden: „Die Blätter verbogen sich durch die Reibungshitze, die an der Führung entsteht. Das heißt, gerade der Teil, die für exakte Schnitte sorgen sollte, ließ die Schnitte verlaufen.“ Und noch etwas kam hinzu. Beim Pendeln drückt eine Rolle von hinten auf das Sägeblatt. Sägeblätter haben jedoch keinen exakten 90°-Winkel, die Rolle drückt das Blatt also mehr oder weniger zur Seite und die Schnitte werden unweigerlich unpräzise.

Ausgerechnet die Sägeblattführung verursacht unpräzise Schnitte.

Foto: Mafell AG
Das spezielle Sägeblatt der P1cc besteht aus zwei verlöteten Einzelblättern. Das sorgt – wie bei einem Leimbinder – für eine hohe statische Belastbarkeit.

Ab sofort bestand die Herausforderung für das Team also darin, die durch die Führung erzeugte Reibungshitze zu eliminieren – im Grunde also auf eine Führung ganz zu verzichten. Was die Frage aufwarf: Geht es überhaupt ohne? „Die Antwort ist ja: Gerade da, wo hohe Genauigkeit gefragt ist, gibt es keine Führung – das beweist die japanische Feinschnittsäge“, weiß Hermle. Die Ingenieure konstruierten also einen Prototypen ganz ohne seitliche Führung – und waren gespannt auf den ersten Test. Das Resultat war verblüffend: Die Schnitte waren gerade. Und ganz nebenbei hatte sich durch die fehlenden Führungsbacken die erreichbare Schnitttiefe um rund 10 Millimeter erhöht.

Ohne Führung ist alles besser, aber … In das Staunen mischte sich jedoch auch Enttäuschung. Zwar verformte sich das führungslose Sägeblatt nicht mehr, dafür hatte es jetzt zu viel Spiel. Neue Herausforderung: eine festere Sägeblattspannung. Nach längerem Experimentieren fand das Team um Hans Hermle auch für dieses Problem eine Lösung – oder genauer gesagt drei. Denn es war offensichtlich, dass die fehlende Führung durch mehr als nur eine Maßnahme kompensiert werden musste.

Foto: Mafell AG
Das Credo von Hans Hermle: Wenn man ein Prinzip nicht verbessern kann, muss man es komplett in Frage stellen.

Als Erstes konstruierten die Ingenieure eine Sägeblattspannung, bei der das Sägeblatt über eine Feder mit einem Keil unverrückbar in einen Formschluss gepresst wird. Die extrem feste CUmax Sägeblattspannung war geboren. Dann tüftelten sie daran, den Pendelhub – ebenfalls ein Quell mangelnder Präzision – auf eine neue Art zu erzeugen. Die Lösung war, ihn direkt am Stößel zu generieren, innerhalb des Getriebes, nicht durch Druck auf das Sägeblatt.

„CUnex“ ist Multiplex für Sägeblätter.

Die dritte Systemverbesserung nahm das Entwicklerteam nicht an der Maschine vor, sondern am Sägeblatt. Die Überlegung dabei: Wenn das Blatt quasi stärker „in sich selbst ruht“, kommt das der Schnittqualität zusätzlich zugute. Das speziell entwickelte „CUnex W1“-Sägeblatt besteht deshalb aus zwei verlöteten Einzelblättern: „Dadurch machen wir uns das Prinzip des Leimbinders mit seiner hohen statischen Belastbarkeit zunutze“, erläutert Hermle. Außerdem ist das neuartige „Zwillingsblatt“ konisch geschliffen – hinten dünner als vorne –, wodurch sich Kurven besonders leicht und sauber sägen lassen. Sicher, auch ganz normale Sägeblätter passen in die P1 cc, aber mit dem „CUnex“-Blatt kann sie ihre Stärken noch besser ausspielen.

„Mit der P1 cc wollten wir ein deutlich besseres Werkzeug konstruieren“, betont Hermle. „Und dafür ist es nach unserer Überzeugung oft besser, wenn man es ganz neu denkt statt es ‚nur‘ zu optimieren. Vor allem, wenn man die Grenzen eines Werkzeugs verschieben will. Das ist einfach unsere Philosophie.“



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Das gilt übrigens auch für ein weiteres Zubehörteil, mit dem das „Stichsäge-System“ ergänzt wird: einen speziellen Parallelanschlag, der zugleich als Führungsschienenadapter, Kreisschneider und Zusatzauflage dient. Ganz schön clever. Auch Hans Hermle ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Die P1 cc ist schon eine kleine Revolution. Wir haben das Rad vielleicht nicht neu erfunden, aber wir haben es ein gutes Stück runder gemacht.“